So entsteht ein neues Rezept im Refugio…
1 Prise Inspiration, 1 Schuss Wagnis und viel Genuss!
Immer wieder werde ich darauf angesprochen, ob ich von unseren Speisen keine Rezepte rausrücke. Mache ich gerne, wenn ich dazu komme niederzuschreiben, welche Zutaten wir für das ein oder andere Gericht verwendet haben.
Aber bitte hab dafür Verständnis, dass wir zu den meisten unserer Gerichte keine Mengenangaben geben können. Unsere Rezepte beruhen alle auf eigenen Ideen und viele entstehen erst durch das probieren. Jetzt zum Beispiel, der Herbst hat angefangen und das Refugio quillt über vor Kürbissen in allen Größen, Farben und Geschmacksrichtungen. Und ich stehe da, schaue mir einen Kürbis an, rieche an ihm, schneide ihn auf, probiere ihn roh und auf einmal fällt mir ein, dass wir noch Mangold vom Mittagstisch übrig haben.
Oder ich schaue mit dem Kürbis in der Hand aus dem Fenster und sehe die Blätter von den Bäumen fallen, die Sonne scheint in unsere Gasse und die Menschen haben alle wärmere Jacken an als noch gerade gestern. Da denke ich das erste Mal seit langem wieder an einen wärmenden Eintopf. Linsen hatten wir schon lange nicht mehr. Und Ingo Holland hat doch von seiner letzten Gewürzreise ein neues Massala mitgebracht, welches ich noch nicht ausprobiert habe.
Dragena und Biene beim abschmecken |
Dann stehen wir im Refugio an den qualmenden Töpfen, rühren, probieren, würzen und probieren wieder. Nehmen eine weitere Prise Salz, einen kleinen Schuss weißen Balsamico oder geben noch ein wenig Chili dazu. Und auf einmal ist es da.
Dieses „richtige“ Gefühl im Bauch – wenn das neue Rezept im Refugio entstanden ist
Dann paßt es. Man macht die Augen zu, genießt den Geschmack und ist glücklich.
Und – ob du es glaubst oder nicht – in all der Zeit hat niemand von uns darauf geachtet, wieviel Salz wir genommen haben. Keiner hat das Kürbisfleisch gewogen und im Nachhinein haben wir wirklich vergessen, wieviel Eier wir denn tatsächlich für die Fritatta verwendet haben.
Katrin (li.)und ich beim verkosten von Schinken und Wein |
Ich habe schon oft versucht, disziplinierter zu kochen. Aber was würde ich gewinnen, was verlieren.
Sollte ich meine Auflaufform ausmessen damit ihr die eurige zu Hause ausmisst und wir dann die Größe der Eier vergleichen?
Und es würde bei allem genauen Abmessen nicht immer gleich schmecken. Schon die Kürbisse schmecken in der Saison von Ernte zu Ernte unterschiedlich. Ein Hokkaido noch nicht reif genug wirkt mehlig, eine überreife Succrine de Berry schmeckt mir am besten, wir müssten Petrus noch mit ins Boot holen, damit er uns immer gleiche Wetterbedingungen schickt und Ute Ligges müsste die Kürbisse vielleicht nur noch bei Vollmond ernten, ausschließlich vom gleich geschulten Kürbis-Erntefachpersonal.
Wo führt dass denn hin? Lassen wir doch lieber den Kürbis Kürbis sein, entdecken wir doch wieder die Unterschiede, erleben wir wieder den Geschmack. Wir wollen doch kochen und nicht abarbeiten. Wir wollen genießen und nicht produzieren. Ich möchte stolz sein auf mein Essen und nicht sagen müssen: Da hat wohl der Kochbuchautor einen Fehler gemacht.
Inspiration durch Ingo Holland
Bei meinem ersten Kochkurs bei Ingo Holland in Klingenberg am Main war ich erst überrascht kein Rezeptheft mit an die Hand zu bekommen. Ingo Holland kochte voller Inbrunst und ich stand mit großen Augen daneben. Er instruierte, gestikulierte und kommunizierte, dass seine Gewürze vielfältig einzusetzen seien, das er uns keine Rezepte an die Hand geben möchte, sondern lieber neue Kombinationen, neue Erkenntnisse vermittelt, mit deren Hilfe wir eigene neue Rezepte entwickeln können. LEUTE! Ich kann Euch sagen! Bei dem Gedanken an sein Essen kommen mir heute noch die Tränen, so GUT war es!
Ingo Holland hat gezaubert auf der Klaviatur der Geschmacksrezeptoren. Ich habe nur annähernd die Hälfte behalten was dieser Tausendsassa geredet, erklärt, gerührt und verkocht hat. Aber ich habe verstanden, was er meint!
Für ihn werde ich noch mal Groupie… 😉 |
Ich versuche eine gute Köchin zu sein und ich bin kein Rezepteschreiberling. Und wenn ich dir mit meinen Rezeptideen ein wenig Inspiration, Mut und Wagnis an die Hand geben kann, dann würde ich mich sehr darüber freuen. Zum üben hab‘ ich dir heute extra ein Rezept mit schon gaaaanz vielen Mengenangaben rausgesucht:
Indischer Linsen-Kürbis-Eintopf mit Samson und Masoor Dal Masala
– statt Kürbis kannst du auch Kartoffeln verwenden –
Masoor Dal Masala ist eine indische Gewürzmischung mit Fenchel, Asafoetida, Nanahminze, Chilli u.v.m. Wir setzen sie mittlerweile vielfältig zum würzen von Eintopfgerichten und Dips aus Hülsenfrüchten und auch Kürbissen ein.
Samson ist ein hellgrüner relativ großer Kürbis mit harter Schale welche ich – anders als viele Kollegen – immer entferne. Er eignet sich für Eintöpfe und Schmorgerichte, da sein Fleisch fester ist und nicht schnell zu Mus zerfällt.
Hier der Samson für unseren Eintopf, mit unserer Alex, die den Kürbis zubereiten wird |
Das Ruck-Zuck-Rezept:
- 300 g kleine Linsen (festbleibend!, wir verwenden Puy Linsen, Beluga-Linsen oder kleine braune Linsen)
- ca. 1 Liter Brühe
- 1 Hühnerkarkasse und -brust im Ganzen
- 1 EL Masoor Dal Masala
- Samson – Kürbis (1 mittelgroßen) schälen und in Stücke schneiden
- 2 Karotten schrappen und in Scheiben schneiden
- 2 mittlere Zwiebeln schneiden.
Alles ca. 20 Minuten kochen, anschließend Karkasse und Brust herausnehmen. Dann das Fleisch klein zupfen und wieder zu dem Eintopf geben, mit etwas brauner Butter und Limonensaft vollenden.
Ein TIPP von mir:
Statt Limonensaft verwenden wir übrigens Zitronenmyrte von Ingo Holland. Die gemahlenen Blätter haben einen intensiv zitronigen Geschmack und kommen ohne Säure daher, die mich beim Limonensaft so oft stört.
Ich hab sie auch zu Hause immer im Gewürzregal, weil ich oft Zitronen-Zeste benötige und dann keine Bio-Zitrone da habe. Die Myrte ist ideal zu dosieren, universell einzusetzen (ich würze u.a. Jogurt, Kuchen, Fisch und Geflügel damit) und von überzeugender Qualität. Schnuppergläser haben wir im Refugio vorrätig.