Selbst bei der Überschrift zu diesem Post fallen mir nicht die richtigen Worte ein! Ich bin so hin und hergerissen!!!! Und ich habe Angst. Dabei geht es „nur“ um einen Zahn! Ich öffne mir jetzt eine Flasche Wein!
Was seht ihr zuerst auf diesem Foto? Seht ihr mich, Kati, Katja, die Mama von Evi, Freundin, „die vom Refugio“, – oder seht ihr meinen Zahn?
Was sehen wir…genau darum geht es…
Mit 16 Jahren hatte ich einen Reitunfall und habe mir an einem kleinen Stein auf der Wiese meinen linken Schneidezahn raus geschlagen. Mitsamt Wurzel. Nicht wieder einzupflanzen, Implantat nicht möglich. Die Zahnärzte bastelten mir erst einmal ein Provisorium. Das blieb im Negerkuss-Brötchen auf dem Geburtstag meiner besten Freundin Dani Dick hängen. Da waren 16 Leute. Ich war erschrocken, die anderen belustigt. Es gibt nur wenige Situationen, die mir auch annähernd so peinlich waren wie diese. Meine Mutter hat mich vorzeitig abgeholt. Ich bin mit meinem Zahn in der Serviette am nächsten Tag zum Zahnarzt gefahren. Und eine Woche später, offenbarte mir ein Zahnarzt in Unna die Lösung meines rausnehmbaren Schneidezahns: die Mary-Land-Brücke. Ich war zahnärztlicher Protagonist, eine der ersten Patientinnen, ein Versuchskanninchen. Der Zahn – an einer Eisenplatte befestigt wurde einfach hinter die vorhandenen Nachbarzähne verklebt. Man prophezeite mir, dass diese Lösung bis zu 5 Jahren halten würde. Das ist nun 32 Jahre her.
Der Zahn ist fest.
Aber links und rechts ist es grau.
Ich habe einen wunderbaren Mann mit diesem Zahn kennengelernt, eine großartige Tochter, fantastische Freunde und einen tollen Laden. Und doch hat mich in den letzten Monaten auf Fotos gestört, was mir 30 Jahre lang gute Dienste geleistet hat: mein Zahn.
Nun lasse ich ihn morgen raussägen. Es gibt schönere Zähne hat man mir gesagt. Erst habe ich gelacht – mein Zahn ist schön! Ich habe alles im Ganzen gesehen – mich im Ganzen gesehen. In den letzten zwei Jahren habe ich durch die vielen Handy-Fotos die man mittlerweile macht, ganz oft Fotos von mir gesehen. Und den Zahn. Den sah‘ ich irgendwie immer mehr.
Nun kommt er raus. Und ich fühle mich nicht ganz richtig mit dieser Entscheidung. Was tue ich eigentlich? Worüber definiere ich mich? Ich war noch nie eitel. Jetzt lasse ich mir einen Zahn raussägen, der über 30 Jahre lang treue Dienste geleistet hat? Die leckersten Speisen, die schönsten Weine sind an ihm entlang geflossen. Ich mache dass, weil ich denke, es sieht besser aus, anstatt mich so zu nehmen wie ich bin. Irgendwie komisch. Ich predige immer etwas anderes. Ich bin nicht vollkommen, meine Zähne ab morgen vielleicht….